Ob das Glöcklein in der Gutleuthofkapelle jemals geschlagen hat, ist äußerst fraglich. Bemerkenswert ist die Geschichte des Glöckleins vielleicht gerade deswegen.
Auslöser war eine „Überprüfung des Glockenbestandes durch die beauftragte Kommission der Handwerksmeister“ im Stift Neuburg am 1. Dezember 1941. Dem NS-Regime waren die Nachschubwege an Rohstoffen abgeschnitten. Im ganzen Reich wurde deshalb eine „Metallmobilisierung“ organisiert, um die dringend benötigten Rohstoffe zur Herstellung von Fahrzeugteilen, Geschossen und Zündern zu beschaffen. Nach anfänglicher Sorge vor Unruhen wurden ab November 1941 auch die Zwangsabnahme von Kirchenglocken einbezogen. Insgesamt wurden im 2. Weltkrieg rund 102.500 Glocken abgehängt, von denen der größte Teil auch eingeschmolzen wurden.
Die Freilegung der 1921 entdeckten Fresken der Gutleuthofkapelle im Sommer 1941 und den damit verbundenen ersten Sanierungen führten bei den Schlierbacher Katholiken zu dem Wunsch, die Kapelle wieder für den Gottesdienst nutzen zu können. Da die Kuratie Schlierbach zu der Zeit von einem Pater aus dem Stift Neuburg geleitet wurde, ist wohl der Gedanke entstanden, der Gutleuthofkapelle eine Glocke zu überlassen.
Im Schreiben „an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg“ wird argumentiert: „Wir bitten daher die oben bezeichnete kleine Glocke [die Hausschlag-Glocke des Stifts], die wir der Kuratie unentgeldlich zur Verfügeng stellen würden, für die Gutleuthof-Kapelle freizugeben. Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf jede Kapelle eine Glocke besitzen. Da doch wohl in absehbarer Zeit damit gerechnet werden kann, daß die altehrwürdige Kapelle dem ursprünglichen Zweck dem kirchlichen Gottesdienst zurückgegeben wird, bitten wir den Herrn Oberbürgermeister die Glocke durch Freistellung von der Abgabe der Gutleuthof-Kapelle zu sichern. Es handelt sich bei dieser kleinen Glocke ohnehin um eine unbeträchtliche Metallmenge, die der Sammlung entginge, für die Kapelle aber um einen nahezu unersetzlichen Wert, da im Falle einer Ablieferung die anderweitige Beschaffung einer passen-
den zweckentsprechenden Glocke geradezu aussichtslos ist.“
Der Gedanke ging auf. Am 30. Dezember 1941 teilt der Bürgermeister von Heidelberg der Klosterverwaltung von Abtei Neuburg mit, dass die „kleine Glocke aus dem Jahr 1775 nach der Gutleuthofkapelle verbracht werden“ soll.
In einem Schreiben des Erzbischöflichen Oberstiftungsrats an den Oberbürgermeister in Heidelberg vom 15.05.1946 wird angemerkt, „daß nach einer Mitteilung des Stiftungsrats Heidelberg-Schlierbach in der Gutleuthofkapelle das Glöcklein Eigentum der Abtei Neuburg sein soll, die es im Jahre 1942 der Stadt zur Anbringung in der Gutleuthofkapelle unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe.“ Auch im Überlassungsvertrag zwischen der zwischen Stadt Heidelberg und der Kirchengemeinde vom 21.09.1947 über die Nutzung der Kapelle „zur Abhaltung von römisch-katholischen Gottesdiensten“ steht in §5: „Die in der Kapelle befindliche Bronceglocke ist Eigentum der Abtei Neuburg und wird auf die Dauer der Überlassung der Kapelle widerruflich der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt“. Die letzte Erwähnung findet sich in einem Inventarverzeichnis aus dem Jahr 1952: „1 Glocke (dem Stift Neuburg gehörend)“
Aus dem Jahr 1950 stammt die nebenstehende Planzeichnung des Erzbischöflichen Bauamts Heidelberg zur Anbringung eines Dachreiters mit Glocke an der Kapelle.
Wer hat den Plan in Auftrag gegeben und warum wurde er nicht umgesetzt? Wurde die Glocke irgendwann wieder an die Abtei zurückgegeben und schlägt sie dort noch heute?
Sollte ein Leser oder eine Leserin zur Aufklärung dieser Fragen beitragen können, würden wir uns darüber sehr freuen.
Schreiben Sie gerne an ansgar@kutscha.de
Aktuelles aus dem Kapellengarten
Der Geschichte zum “Glöcklein der Gutleuthofkapelle” kamen wir im Rahmen unserer Recherchen im Archiv der Stadtkirche und im Archiv des erzbischöflichen Bauamtes Heidelberg auf die Spur. Die Recherchen sind motiviert durch die anstehenden Neugestaltungen rund um die Kapelle mit dem Ziel, diese auf ein möglichst umfassendes historisches Fundament stellen zu können.
Auch zum Kapellengarten gibt es Neues zu berichten. Mit Freuden haben wir wahrgenommen, wie unsere Stadt die Treppe und den Weg ausgebessert hat. Das ist sehr schön und dadurch auch sicherer geworden. Das Kernteam hat einen Förderantrag für die ersten geplanten Workshops gestellt und wartet jetzt gespannt auf die Rückmeldung. Das wäre ein richtig starkes Signal für den Startschuss des Kapellengartenprojektes.
Am 20.11. fand ein Kennenlern-Treffen mit 4 Neu-Interessierten statt. Hierbei haben wir eine Erkundungsrunde über das Gelände durchgeführt und uns über die dabei entstandenen Ideen und individuellen Schwerpunkte ausgetauscht. Ansgar hat der Gruppe einen Einstieg in die Geschichte der Kapelle gegeben und die Bedeutung des Grenzsteines mit dem Symbol der Lepraklapper (s. Foto rechts unten) aufgedeckt. Lara und Kathi führten uns in die Ethiken und Grundprinzipien von Permakultur ein. Auch hier sind Erfahrungen an der Grenze (z.B. der Übergang vom Wald zur offenen Landschaft) besonders wertvoll. Der Ausklang fand bei frischem Apfelkuchen und Tee (Danke Lara!) an frischer Luft statt. Trotz der Kühle waren die Wärme und Motivation bei allen spürbar, aus diesem Gelände einen besonderen Ort gestalten zu wollen.